Hallo Leute.
Ich war nochmal bei der Höhle, aber es war abgesperrt.
Deshalb war ich mittags kurz an meiner alten Uni, in der Bibliothek, einfach nur um mal in alten Büchern nach Symbolen zu suchen, oder auf Ideen zu kommen. Auch hatten uns unsere Professoren immer wieder gepredigt, dass man auch heute noch nicht alle Dinge im Internet finden würde, die in Bibliotheken zu lesen wären.
Eine Weile blätterte ich wahllos in alten Schinken herum, dann ging ich zu den Terminals mit Suchfunktion, ohne recht zu wissen, wonach ich suchen sollte. Die Bände mit Stichwort “Runen” hatten mir nicht weiter geholfen. Einer Eingebung folgend, ging ich wieder zu den Regalen.
Da war noch ein Mann, der auch in Büchern blätterte...
“Kann ich Ihnen helfen, junger Mann?”
Ich hatte ihn wohl etwas auffällig angestarrt.
“Hm. Ich weiß nicht genau. Ich sehe mich eigentlich nur um... d.h., vielleicht doch. Wissen Sie ein paar gute Bücher mit, ähem, alten Schriftzeichen drin, und deren Bedeutung? Über Symbologie vielleicht? Ich habe im Bibliotheksindex nichts finden können...”
“Symbologie? Sie haben wohl Dan Brown gelesen, stimmts?”
Ich zuckte mit den Schultern.
“Ja, auch.”
“Nun, dieser Autor schreibt ja Romane, keine Lehrbücher. Seine 'Symbologie' wäre wohl besser als Semantik zu bezeichnen, die sich mit der Bedeutung von Zeichen im Allgemeinen befasst. Aber 'Symbologie' klingt in einem Roman natürlich besser. Was Sie suchen, ist wohl eher das Fachgebiet der 'Semiotik', da Sie auf Schriftzeichen anspielen.
Obwohl Semantik sowohl ein Teilgebiet der Semiotik als auch der Linguistik sein kann...”
“Aha, ach so. Puh, kann schon sein. Nun, ähm, also, welche Bücher aus dem Fachbereich der... Semiotik würden Sie mir denn als Einsteiger empfehlen? Ich hab ja eigentlich Physik studiert, aber ... hm... “
(ich dachte schon daran, ihm von den Pergamenten zu erzählen, entschied mich dann aber doch, mich selbst erstmal etwas schlau zu lesen, bevor ich mich vor diesem Herren zum Clown machte)
“... aber ich dachte, während ich hier noch als Hilfsassistent mit Teilzeitvertrag in den Labors herumhänge, bis ich einen festen Job gefunden habe, kann ich mich auch ein bisschen mit andern Fachgebieten ablenken... ich meine, bilden, solange ich noch Zugang zur Bibliothek habe.”
“Soso, ablenken.” Er schmunzelte.
“Ich wüsste da in der Tat ein paar Bände, die Sie fesseln könnten.”
Er griff in das Regal hinter sich, zog einen dicken Wälzer heraus, ein paar Regale weiter noch sowas wie eine kleine Fibel, und drückte mir schlussendlich auch noch das Buch in die Hand, in dem er zuvor selbst geblättert hatte.
“Fangen Sie am besten mit diesem hier an. Wenn Sie etwas nicht verstehen, schauen sie in dem kleinen hier nach - und dieser Wälzer hier ist ein bisschen 'Lektüre zur Ablenkung', den Sie aber erst verstehen werden, wenn Sie sich ein wenig mit den beiden anderen befasst haben. Es liegt bei Ihnen, wie weit sie damit kommen.”
Er lächelte und blickte mir durch seine Brille in die Augen.
“Danke” sagte ich.
“Ich geh' dann mal lesen...”
“Gut. Aber momentan stehen Sie hier und schauen sie mich immer noch an.”
“Oh. Entschuldigung. Ich dachte gerade, Sie kämen mir noch von woanders bekannt vor. Sind Sie Dozent?”
“Ja, Mathematik. Waren Sie in einer meiner Vorlesungen?”
“Nein, glaub' nicht. Nicht bei Ihnen.”
“Ich bin auch nur Gastdozent und nicht täglich an dieser Fakultät.”
“Ahso, okay. Na bis dann, vielen Dank nochmal.”
Ich wandte mich um und begab mich Richtung Buchausgabe.
“Viel Erfolg bei Ihren Recherchen!” rief er mir nach.
Ich winkte nochmal zurück, lieh mir die Bücher aus und fuhr nach Hause.
Hier sitze ich nun mit den Folianten auf dem Tisch, und bin nicht schlauer als zuvor.
So richtig kann ich mich auch nicht auf's Studieren der Bücher konzentrieren - der Alte aus der Höhle geht mir nicht aus dem Kopf. Wo stammt der bloß her? Er wirkte nicht wie jemand aus einem anderen Land, sprach ja immerhin Deutsch; aber so ein merkwürdiges Deutsch habe ich noch nie gehört. Höchstens in Filmen aus dem Mittelalter.
Vielleicht hätte ich mir besser ein paar Fachbücher über Zeitreisen aussuchen sollen; ich fürchte nur, die gibt's nicht.
Die Bücher habe ich bisher nur ungeduldig durchgeblättert, aber keine Symbole entdeckt, die denen auf der Steintafel auch nur ähnlich sehen. Vielleicht hätte ich dem Professor doch etwas von der Höhle erzählen sollen.
Der Professor ist übrigens ein Schlingel, scheint mir. In dem Buch, das er selbst durchgeblättert hatte, habe ich seine Visitenkarte gefunden. Jedenfalls glaube ich, dass es seine ist - Professoren für Mathematik gibt es ja nicht so viele, die zufällig Bücher über Semiotik lesen. Die muss er hineingelegt haben, während er die ersten Bücher zusammenklaubte - oder er wollte sie einfach als Lesezeichen verwenden.
Jedenfalls 'könnte' ich ihn anrufen und fragen, aber traue mich noch nicht. Ich will wenigstens erst ein bisschen von dem verstanden haben, was er mir in die Hand gedrückt hat.
Ach und hinten auf der Visitenkarte ist so eine seltsame Zahlenfolge gekritzelt:
0, 2, 4, 6, 9, 11, 15, 18, 22, 25, 30, 34, ... , und davor ist ein Quadrat gemalt.
Sieht mir nicht aus wie eine Telefonnummer. Nun ja, Mathematiker sind schon seltsam.
Die Bücher, die er mir gab, sind diese:
- Phänomen und Logik der Zeichen von Charles S. Peirce
- Einführung in die Semiotik von Umberto Eco (ich dachte, der dreht Filme?)
- Das dritte Buch, der 'Wälzer', hat gar keinen Titel; oder vielleicht heißt es
“numerus primus non potes partiris”, jedenfalls steht das auf der ersten Seite.
Ist aber vielleicht auch nur so ein Zitat, wie es in jedem Buch vorne steht.
Einen Autor habe ich auch nicht gefunden; was drinsteht, scheint mir wie Geschichten und Briefe aus alter Zeit.
Gruß Philipp